Paul Rehm
Mediziner, Kuranstaltsleiter
(1847 – 1910)
Paul Rehm war Nervenarzt und gemeinsam mit Otto Müller ein Pionier der offenen Heilstättenbehandlung in Deutschland. Sein Wirken ist ursächlich mit dem Aufschwung des Gesundheits- und Kurwesens in Blankenburg verbunden.
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Paul Rehm wurde am 2. August 1847 in Wildenfels bei Zwickau in Sachsen geboren. Nach seinen Studienjahren arbeitete er zunächst mehrere Jahre als Assistenzarzt bei Otto Müller in dessen 1865 in Blankenburg eröffneten Müllerschen Anstalt für Nervenleidende.
Paul Rehm unterstützte damit das damals neue Behandlungskonzept von Otto Müller. Es setzte auf eine frühzeitige Behandlung von Nervenleiden und einen offeneren Umgang mit leicht geistig erkrankten Patienten.
Nach seiner Zeit als Assistenzarzt in der Müllerschen Anstalt am Thie in Blankenburg praktizierte Dr. Paul Rehm mehrere Jahre in Zwickau, unweit seines Geburtsortes. Etwa um 1874 kehrte er jedoch zurück und trat als Teilhaber und medizinsicher Partner von Dr. Otto Müller in die Führung der Heilanstalt ein. Diese wurde damit zur Müller-Rehmschen Heilanstalt.
Nach dem Tod von Otto Müller übernahm Paul Rehm dann die alleinige Führung der Heilanstalt. Diese hat sich in jenen Jahren nicht nur medizinisch etabliert, sondern Blankenburg einen regelrechten Ansturm zahlungskräftiger Kurgäste beschert. Das wiederum führte zu einem Bauboom. Blankenburgs Villenviertel entstanden. Die Häuser waren einerseits geräumige Ruhesitze und hatten zugleich oftmals Platz für Pensionen für eben jene Kurgäste, die das Angebot der Müller-Rehmschen Anstalt nutzten. Beides hatte wiederum einen Aufschwung für Gastronomie und Ladengeschäfte, Fuhrunternehmen u. ä. m. zur Folge. Blankenburg „boomte“ in jener Zeit.
Am Anfang wird von Akzeptanzproblemen der Blankenburger gegenüber der offenen Behandlung berichtet. Vor allem Frauen fühlten sich durch das Verhalten von Patienten auf Straßen, Plätzen oder in Lokalen belästigt. Auf Grund von Beschwerden wurde Bürgermeister Karl Zerbst aktiv. Es müsse stärker darauf geachtet werden, dass nur solche Patienten in die offene Behandlung aufgenommen werden, die für eine Teilnahme am öffentlichen städtischen Leben geeignet sind.
Das wurde offenbar berücksichtigt. Weitere Beschwerden sind nicht bekannt geworden.
Paul Rehm selbst nahm an diesem gesellschaftlichen Leben in Blankenburg auch neben seiner medizinischen Arbeit regen Anteil. Die damalige Tageszeitung Blankenburger Kreisblatt würdigte in einem Nachruf zu Rehms Tod dessen wissenschaftliche Arbeit ebenso wie sein Wirken als Kunstkenner und -sammler. Paul Rehm gehörte danach zu den Begründern und ersten Aktivisten des Harzklubs sowie auch der wissenschaftlichen Gesellschaft „Literaria“ und des Blankenburger Ablegers vom „Harzverein für Geschichte und Altertumskunde“.
Sanitätsrat Dr. Paul Rehm starb am 25. Februar 1910 in Blankenburg und wurde auf dem Waldfriedhof beigesetzt. Seine Ehefrau, Agnes Rehm, die der 1861 geadelten Familie von Jaeckel entstammt, liegt seit 1929 an seiner Seite.
Die Kuranstalt am südlichen Rand der Thiestraße führte ihr gemeinsamer Sohn Friedrich Rehm einige Jahre weiter und baute sie weiter aus. Die Gebäude sind heute Teil des Harzklinikum „Dorothea Christiane Erxleben“. Bis heute werden dort auch Nervenleiden behandelt.
Heutige Spuren
Grabstein auf dem Waldfriedhof,
Einstiges Haupthaus der Rehmschen Anstalt in der heutigen Klinik am Thie, im Giebel die verschlungene Buchstaben F und R von Paul Rehms Sohn Friedrich Rehm, der die Anstalt weitergeführt und ausgebaut hat.
Das Projekt
Der Blankenburger Waldfriedhof ist mit seinen Grabstätten ein Kulturdenkmal und regionaler Spiegel deutscher Geschichte, die in ihrer Zeit von hier lebenden Menschen getragen und in vielen Fällen aktiv mitgestaltet wurde.
Die Epochen und Ereignisse ließen sich oft an mehreren Personen abbilden. Bei deren Auswahl handelt es sich um eine notwendige Einschränkung. Die Inhalte sind von Schülerinnen und Schülern und geschichtlich interessierten Bürgerinnen und Bürgern zusammengetragen worden und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie folgen den Grundsätzen, geschichtliches Interesse zu wecken und die jeweiligen Lebenswege, Prozesse und Entwicklungen aus dem Blickwinkel der freiheitlich demokratischen Grundordnung darzustellen.
Das Projekt ist in Kooperation mit dem Land Sachsen-Anhalt, der Stadt Blankenburg und dem VHS-Bildungswerk entstanden. Regionale Bezüge und Hinweise auf weiterführende Quellen sollen motivieren, sich Geschichte der engeren Heimat, aber auch deutsche und europäische Geschichte zu erschließen.
Für weiterführende Hinweise und etwaige Korrekturen ist das Team Friedhofsprojekt offen. Das Stadtarchiv steht als Ansprechpartner zur Verfügung.
Quellen
„Mehr Freiheiten in die geschlossenen Anstalten!“ – Blankenburg (Harz) als psychiatrischer Kurort von 1865 bis 1937, von Christoph Georg Rohrbach, Enthalten in Schriftenreihe der deutschen Gesellschaft für Geschichte der Nervenheilkunde 2020, S. 313–346 Herausgegeben von A. Karenberg und K. Haack, Verlag Königshausen & Neumann Würzburg
Materialsammlung zur Geschichte der Psychiatrie in Blankenburg, Dr. med. Wolf-Rainer Krause, Chefarzt a. D. der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in Blankenburg (Harz)
Bilder
Grabstein, Foto: Burkhard Falkner
Bilder vom einstigen Haupthaus der Heilstätte am Thie, mit Initialen von Fritz Rehm im Giebel, Fotos (2): B. Falkner
Portait, Foto: Burkhard Falkner
Impressum
Arbeitsgemeinschaft Geschichte des Gymnasiums „Am Thie“ Blankenburg (Harz) und Team Friedhofsprojekt
Bearbeitung: Burkhard Falkner, Christoph Georg Rohrbach (Team Friedhofsprojekt)
Projektleitung: Benedict Volkert
Internetpräsentation: Jörn Zuber