Geschichtsprojekt Blankenburger Waldfriedhof XII

Karl von Müller
Kapitän des Kreuzers „Emden“, Politiker
(1873 – 1923)

Karl von Müller ist als Kapitän des Kreuzers „Emden“ eine international über seine Lebenszeit hinaus bekannte, aber heute umstrittene historische Person. Sein Lebensweg ist ein Spiegelbild der Politik des deutschen Kaiserreiches am Beginn des 20. Jahrhunderts sowie der ersten Jahre der Weimarer Republik.

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Karl von Müller wurde am 16. Juni 1873 in Hannover als Sohn einer 1838 in den erblichen Adelsstand erhobenen Familie geboren. Sein Vater war der preußische Oberst Hugo von Müller, seine Mutter Charlotte geb. von Bennigsen war Tochter eines hannoverschen Generalmajors. Die Familie zog 1896 nach Blankenburg.

Der Sohn  war, wie seine Familie, der Monarchie treu ergeben und schlug eine militärische Laufbahn bei der kaiserlichen Marine ein. Karl von Müller besuchte ab 1891 die Marineschule in Kiel, absolvierte zahlreiche Kurse und Praxiseinsätze auf Schiffen und arbeitete sich die Beförderungsleiter hinauf bis zum Fregattenkapitän. Mit knapp 40 Jahren wurde Karl von Müller 1913 zum Kommandanten des Kleinen Kreuzers SMS „Emden“ ernannt. SMS steht dabei für „Seiner Majestät Schiff“. 

Die „Emden“ war 1908 in Danzig vom Stapel gelaufen. Sie war rund 119 Meter lang, 13,5 Meter breit, 2624 Bruttoregistertonnen schwer und für eine Besatzung von 365 Mann ausgelegt. Mit einer 12000-kW-starken Maschine konnte sie es auf eine Geschwindigkeit von 24 Seemeilen, etwa 44 Kilometer pro Stunde, bringen.

Der Bau des Schiffes war Teil des von Kaiser Wilhelm II. ab etwa 1900 gestarteten massiven Ausbaus der deutschen Kriegsmarine im Rahmen seiner Kolonialpolitik.

Der Einsatz der „Emden“ war Teil der deutschen Kanonenbootpolitik in Asien. Vor der Übernahme des Kommandos durch von Müller war das Schiff auch an Strafexpeditionen gegen Aufständische beteiligt.

Mit dem Ausbruch des I. Weltkrieges führten Karl von Müller und seine Besatzung den sogenannten Kreuzerkrieg im Indischen Ozean. Die „Emden“ versenkte dabei in wenigen Monaten 16 britische Handelsschiffe und brachte etliche weitere Schiffe auf, darunter auch ein Handelsschiff aus Griechenland, das mit Deutschland gar nicht im Krieg war.

Dabei folgte Karl von Müller weitgehend dem sogenannten Prisenrecht, einem völkerrechtlichen Grundsatz zum Beutemachen auf See, wobei den Besatzungen Zeit zur Rettung gelassen wurde, so die Quellen, bevor deren Schiff versenkt wurde. Dieses Verhalten und sein taktisches Geschick fanden dabei Anerkennung bei Freund und Feind.  Engländer prägten für ihn den Begriff „Gentleman of War“ (Ehrenmann des Krieges). Am Tod von zahlreichen Matrosen in diesen Kämpfen änderte das nichts.

Noch im November des ersten Kriegsjahres 1914 wurde die „Emden“ vor den Kokos-Inseln beim Versuch, eine Kabelstation zu zerstören, von dem australischen leichten Kreuzer „Sydney“ überrascht und kampfunfähig geschossen. Dabei starben 133 Besatzungsmitglieder, 202 weitere inklusive Karl von Müller gingen in britische Gefangenschaft.

Der vor dem Untergang der „Emden“ zur Zerstörung der Kabelstation an Land gesetzte Trupp von etwa 50 Besatzungsmitgliedern blieb von der Niederlage unberührt und konnte sich auf der Insel verstecken. Die Männer schlugen sich auf einer abenteuerlichen Reise über die Meere und durch die Wüsten Arabiens nach Deutschland durch, wo sie 1915 ankamen. Dafür vom Kaiser ausgezeichnet wurden sie dennoch in einen weiteren Kriegseinsatz geschickt. 

Von Müller selbst kam aus der Gefangenschaft nach Stationen in Malta, England und Holland 1918 vor dem Ende des Weltkrieges nach Deutschland zurück. Er wurde als See- und Kriegsheld gefeiert. Im März 1918 erhielt er von Kaiser Wilhelm II. den Orden Pour le Mèrite – eine hohe Auszeichnung, die erstmals vom Preußenkönig Friedrich dem Großen für besondere militärische Leistungen vergeben worden war. Im Oktober 1918 wurde Karl von Müller zum Kapitän zur See befördert. In der Folge ernennen ihn die Städte Emden und Blankenburg zum Ehrenbürger. Straßen werden nach ihm benannt,  Denkmäler aufgestellt.

Nach dem Untergang des Kaiserreiches in der Novemberrevolution reichte Karl von Müller 1919 seinen Abschied ein und zog sich nach Blankenburg zurück.

Dort wurde er Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) die auf Wiederherstellung der Monarchie und Abschaffung der Demokratie gerichtet war. Ihre Programmatik war geprägt von kaiserlich-monarchistischem Konservatismus, Nationalismus, Nationalliberalismus und Antisemitismus sowie von völkischen Elementen. Alles Auffassungen, die Karl von Müller bis zu seinem Lebensende vertrat. Für die Partei wurde er in den Braunschweiger Landtag gewählt.

Am 11. März 1923 starb er in Braunschweig an einer Lungen- und Rippenfellentzündung. Trotz fiebriger Erkältung war er zu einer wichtigen Landtagssitzung gefahren. Er wurde mit großen Ehren auf dem Blankenburger Waldfriedhof bestattet.

Karl von Müllers Tod ist nicht das Ende der „Emden-Geschichte“. Die preußische Regierung schuf 1920/21 die Möglichkeit, dass ehemalige Besatzungsmitglieder an ihren Familiennamen den Zusatz „Emden“ anfügen konnten. Später wurde das auch auf nahe Angehörige ausgeweitet. So führten ab März 1934 auch Karl von Müllers Witwe und seine Töchter den Namen Müller-Emden. Bis heute treffen sich Nachfahren der Schiffsbesatzung als „Emden-Familie“. Eine Tradition, die 1924 mit großer Beteiligung in Blankenburg begründet wurde.

Noch während der Lebzeiten des Kapitäns formulierten nationalkonservative Kreise eine militärische Heldengeschichte, die von der nationalsozialistischen Propaganda später fortgeschrieben wurde. Im Blankenburger Stadtpark errichteten die Nationalsozialisten ein Denkmal für Karl von Müller. Es wurde nach Ende des II. Weltkrieges abgerissen.

Die einstige Kreuzstraße mit von Müllers Wohnhaus hieß zwischendurch Karl-von-Müller-Straße und dann in der DDR Karl-Liebknecht-Straße. Heute heißt sie wieder Kreuzstraße. Einzig die Grabstätte hat die DDR-Zeit unbeschadet überdauert.

Mit dem Tod Karl von Müllers erlosch auch die Ehrenbürgerwürde der Stadt Blankenburg. Heute ist sein Leben und Handeln kein Bestandteil der Traditionslinie der Bundeswehr und ihrer Marine. Er fällt unter den Grundsatz des Traditionserlasses, wonach jene Teile der deutschen (Militär-) Geschichte ausgeschlossen sind, „die unvereinbar mit den Werten unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung sind“. Auch die Grabstätte in Blankenburg ist kein Ort eines offiziellen staatlichen Gedenkens.

Heutige Spuren

Monumentale Grabstätte auf dem Waldfriedhof

Gedenktafel am einstigen Wohnhaus in der Kreuzstraße 19

Das Projekt

Der Blankenburger Waldfriedhof ist mit seinen Grabstätten ein regionaler Spiegel deutscher Geschichte, die in ihrer Zeit von hier lebenden Menschen getragen und in vielen Fällen aktiv mitgestaltet wurde.

Die Epochen und Ereignisse ließen sich oft an mehreren Personen abbilden, Bei deren  Auswahl handelt es sich um eine notwendige Einschränkung. Die Inhalte sind von Schülerinnen und Schülern und geschichtlich interessierten Bürgerinnen und Bürgern zusammengetragen worden und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie folgen den Grundsätzen, geschichtliches Interesse zu wecken und die jeweiligen Lebenswege, Prozesse und Entwicklungen aus dem Blickwinkel der freiheitlich demokratischen Grundordnung darzustellen.

Das Projekt ist in Kooperation mit dem Land Sachsen-Anhalt, der Stadt Blankenburg und dem VHS-Bildungswerk entstanden. Regionale Bezüge und Hinweise auf weiterführende Quellen sollen motivieren, sich gemeinsame Geschichte zu erschließen.

Für weiterführende Hinweise und etwaige Korrekturen ist das Team Friedhofsprojekt offen. Für die Vermittlung steht das Stadtarchiv als Ansprechpartner zur Verfügung.

Quellen

Kleine Blankenburger Stadtgeschichten, Hans-Jürgen Bösche, 2014.

Blankenburg Harz, Erinnerungen an die Heimatstadt, Fritz Hoefer, Hamburg 1987.

Blankenburger Wochenblatt, Ex-Ratsmitarbeiter Herbert Frick zum Abriss des Karl-von-Müller-Denkmals im Blankenburger Stadtpark, Ausgabe Nr. 2, Mai 1990 S. 3. 

E.Spormann / J.Kohlrausch: Zusatz für Familiennamen, Neue Wernigeröder Zeitung, Ausgabe 20/2013 .

E. Schröder: Was auch gesagt werden muss, Neue Wernigeröder Zeitung, Ausgabe 22/2013.

Bundesministerium für Verteidigung, 6. März 2014 (Briefwechsel mit Stadtrat Ulrich-Karl Engel).

Villenstadt Blankenburg – Glanz und Geschichte, Andreas Pawel/ Clemens Bussert, Verlag Bussert & Stadeler, 2021.

Bilder

Grabstätte auf dem Waldfriedhof, Foto: Uwe Lauer

Karl von Müller – Porträt, Repro Burkhard Falkner, Quelle: Kleine Blankenburger Stadtgeschichten, Hans-Jürgen Bösche (Autor/ Herausgeber), 2014, Seite 6

Kreuzer in voller Fahrt, Repro Falkner, Quelle ebenda S.7

Wohnhaus mit Gedenktafel in Blankenburg, Kreuzstraße,  Foto: Falkner

„Was auch gesagt werden muss …“, Neue Wernigeröder Zeitung

Impressum

Arbeitsgemeinschaft Geschichte des Gymnasiums „Am Thie“ Blankenburg (Harz) und Team Friedhofsprojekt

Bearbeitung: Ulrich-Karl Engel, Burkhard Falkner (Team Friedhofsprojekt)

Projektleitung: Benedict Volkert

Internetpräsentation: Jörn Zuber

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