Geschichtsprojekt Blankenburger Waldfriedhof XXV

Kriegsgräberstätte für Opfer des 2. Weltkrieges
Mahnmal vor den Schrecken des Krieges
(1939 – 1945)

Im Ersten Weltkrieg und dessen Folgen lag der Ursprung einer Epoche exzessiver Gewalt und totalitärer Diktaturen, die im Zweiten Weltkrieg einen historischen Höhepunkt fand. (Leitbild Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V.) Die Kriegsgräberstätte erinnert an Tod, Leid und Zerstörung und im Fall von Oberst Petri auch an den Mut zum Widerstand.

Lesezeit: 5 Minuten

Das Gräberfeld vereint sowohl Soldaten, die in Blankenburg und Umgebung gestorben sind, als auch Zivilpersonen, die bei Bombenangriffen, besonders dem am 20. April 1945, getötet wurden oder später an den Folgen ihrer Verletzungen erlagen.

Neben diesen Gräbern wurden in den Jahren 1975 und 1976 Kriegstote, die in Einzel- und Gruppengräbern im Gebiet des damaligen Kreises Wernigerode lagen, dorthin umgebettet. Darunter soll sich auch der Retter von Wernigerode Oberst Gustav Petri befinden.

Das Verhältnis der DDR zu Grabstätten von Kriegstoten war von mehreren Aspekten geprägt. Einerseits aus der Erfahrung, dass Grabanlagen und Ehrenmale für die Opfer des 1. Weltkrieges nicht nur im Verständnis der Nationalsozialisten Orte eines aktiven Heldenkultes waren. Andererseits sah man sich als ein Staat mit antifaschistischer Prägung, der die Lehren aus der Geschichte gezogen hatte. Daraus folgte, dass für alles, was vor 1945 geschehen war, keine staatliche Mitverantwortung bestand. Ein Gedenken an deutsche Kriegsopfer fand somit nur individuell an Privatgräbern statt, an denen Inschriften oder Zusatzplatten an gefallene Familienangehörige erinnerten. In offiziellen Gedenkfeiern, so zum Tag der Befreiung am 8. Mai, wurde staatlich der Opfer der Sieger, vornehmlich der Völker der Sowjetunion, gedacht.

Davon war auch die sehr zurückhaltende Pflege dieser Gräber auf kommunalen Friedhöfen geprägt. Die im Harz verstreuten Gräber fanden lediglich bei Privatleuten Beachtung. Von einer systematischen Pflege konnte keine Rede sein. Auch stand privates Engagement im Verdacht, dass es sich dabei um ewig Gestrige handelt.

Diese zwiespältige Situation blieb bis Mitte der 1970er Jahre unverändert.

Mit der Unterzeichnung der Schlussakte der „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (KSZE) 1975 in Helsinki durch die DDR, sowie dem Streben des Staates nach internationaler Anerkennung und dem Streben nach Aufnahme in die UNO ging einher, dass es für die DDR erforderlich wurde, andere völkerrechtliche Vereinbarungen zu erfüllen. Zu solchen Verpflichtungen zählte auch das Zusatzprotokoll der Genfer Konvention zum Umgang mit Kriegstoten und ihren Grabstätten, wonach sie dauerhaft zu achten und instandzuhalten sind.

Vor diesem Hintergrund wurden Ende 1975 und Anfang 1976 Umbettungen einzelner Kriegstoter auf größere Friedhöfe vorbereitet und durchgeführt. Die Umbettungen auf den Waldfriedhof nahm der VEB Dienstleistungskombinat Blankenburg, Abteilung Friedhofsverwaltung und Bestattungswesen vor. So wie die Erfassung der Grabstellen bereits „vertraulich“ war, wurden die Umbettungen meist nachts und immer als „geheim“ eingestuft durchgeführt.

Diese Umstände lassen darauf schließen, dass es bei den Aktionen an Sorgfalt fehlte.

So erfolgte bei gefundenen Gegenständen wie Geldbörsen, Uhren oder Zahnersatz keine verlässliche Zuordnung zu den Toten. Dadurch konnte später die Identität bei vielen unbekannten Soldaten nicht festgestellt werden.

Kennzeichnend sowohl für das Verhältnis der DDR zu Kriegsgräbern als auch für die Umbettungsaktionen 1975 und 1976 ist die Geschichte von Oberst Gustav Petri, der 1945 den Befehl verweigerte, Wernigerode gegen die Alliierten zu verteidigen und deswegen bei Drei Annen Hohne von SS-Angehörigen seines Stabes erschossen wurde.

Einerseits erfüllte er als Offizier, der lebenslang in deutschen Armeen gedient hatte, das Bild einer Argumentation der SED-Kreisleitung Wernigerode vom 22. September 1961. Zitat: „deutsche Militaristen […] sind so brutal, menschen- und kulturfeindlich, so aggressiv und kriegswütig wie keine andere reaktionäre gesellschaftliche Kraft je in der Geschichte“.

Andererseits rettete gerade dieser Offizier Wernigerode vor der Zerstörung.

Oberst Petri, ein Kriegsverbrecher oder ein Opfer des Widerstandes? Aus dem Teufelskreis dieser Frage konnte sich die DDR bis zu ihrem Ende nicht befreien.

Fragen nach der Identität des heute in Blankenburg als Oberst Petri begrabenen Wehrmachtsangehörigen konnten nicht abschließend geklärt werden, da die Bestattung nach seiner Erschießung durch die SS verheimlicht wurde und Hinweise durch die eiligen Umbettungen nicht gesichert wurden. Es ist aber von einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit auszugehen, dass sich Oberst Petri nun unter den umgebetteten „unbekannten Soldaten“ auf dem Waldfriedhof befindet. Nach der Friedlichen Revolution 1989/1990 wurde hier für ihn eine Gedenkstätte geschaffen.   

Auch für die Blankenburger Kriegsgräberstätte für die Opfer des 2. Weltkrieges gilt die Präambel des Leitbildes des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V.

„Wir stellen uns der deutschen Geschichte: Dieser Angriffskrieg des nationalsozialistischen Deutschlands forderte Millionen Opfer, Soldaten und Zivilisten, und war Voraussetzung für beispiellose Verbrechen bis hin zum Völkermord an den europäischen Juden. Damit stellt sich auch die Frage der persönlichen Verantwortung unter den Bedingungen von Diktatur und Krieg. Pauschale Schuldzuweisungen verbieten sich: Die Meisten kämpften im Bewusstsein, ihre nationale Pflicht zu erfüllen. Viele machten sich schuldig. Andere konnten sich entziehen. Wenige leisteten Widerstand. Mit dem festen Willen, die Erinnerung an Krieg und Gewaltherrschaft wachzuhalten, Verständigung, Versöhnung und Frieden unter den Menschen und Völkern zu fördern und für Freiheit und Demokratie einzutreten, hat sich der Volksbund auf der Grundlage seiner Satzung dieses Leitbild gegeben.“

Auch die Blankenburger Kriegsgräberstätte mit ihrem ewigen Liegerecht für die Opfer von Krieg und Gewalt lädt ein, nach Wegen zum Frieden, zu Versöhnung und Verständigung zu suchen.

Heutige Spuren

Gräberfeld auf dem Waldfriedhof

Das Projekt

Der Blankenburger Waldfriedhof ist mit seinen Grabstätten ein regionaler Spiegel deutscher Geschichte, die in ihrer Zeit von hier lebenden Menschen getragen und in vielen Fällen aktiv mitgestaltet wurde.

Die Epochen und Ereignisse ließen sich oft an mehreren Personen abbilden, Bei deren  Auswahl handelt es sich um eine notwendige Einschränkung. Die Inhalte sind von Schülerinnen und Schülern und geschichtlich interessierten Bürgerinnen und Bürgern zusammengetragen worden und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie folgen den Grundsätzen, geschichtliches Interesse zu wecken und die jeweiligen Lebenswege, Prozesse und Entwicklungen aus dem Blickwinkel der freiheitlich demokratischen Grundordnung darzustellen.

Das Projekt ist in Kooperation mit dem Land Sachsen-Anhalt, der Stadt Blankenburg und dem VHS-Bildungswerk entstanden. Regionale Bezüge und Hinweise auf weiterführende Quellen sollen motivieren, sich gemeinsame Geschichte zu erschließen.

Für weiterführende Hinweise und etwaige Korrekturen ist das Team Friedhofsprojekt offen. Für die Vermittlung steht das Stadtarchiv als Ansprechpartner zur Verfügung.

Quellen

Peter Lehmann: geachtet – geleugnet – geehrt. Oberst Gustav Petri, Retter von Wernigerode. (= Harz-Forschungen. Band 29). Hrsg. v. Harz-Verein für Geschichte und Altertumskunde e.V. Lukas-Verlag, Berlin/ Wernigerode 2013.

Bilder

Kriegsgräber 1939-45 und Gedenkgrab Petri, Fotos (3): B. Falkner 

Früheres Gräberfeld auf dem Waldfriedhof, Quelle: Wernigeröder Zeitung und Intelligenzblatt, Mitteilungsblatt für Wernigeröder in der BRD, Hrsg. Gerhard Bombös, August 1977

Impressum

Arbeitsgemeinschaft Geschichte des Gymnasiums „Am Thie“ Blankenburg (Harz) und Team Friedhofsprojekt

Bearbeitung: Ulrich-Karl Engel (Team Friedhofsprojekt)

Projektleitung: Benedict Volkert

Internetpräsentation: Jörn Zuber

Für die Unterstützung bei der Erarbeitung dieser Seite danken wir Herrn Peter Lehmann (Wernigerode).

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