Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt
(Denkmalerfassung Nr.: 09425134000000000000)
Denkmalfachliche Stellungnahme
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Die Geschichte der deutschen Friedhofskultur beginnt mit der Ablösung des christlichen Bestattungsplatzes, d.h. des Kirchhofes durch den außerörtlichen Friedhof, die sich in den deutschen Städten im Wesentlichen seit dem 16. Jahrhundert vollzog. Vor allem die Angst vor Seuchen und der damit zusammenhängenden „verpesteten Luft“ führte zu dem Verbot, Beisetzungen in der Kirche und auf zentral gelegenen Kirchhöfen vorzunehmen.
Die räumliche Trennung von Grabstätte und Kirche ermöglichte neue Voraussetzungen für die Gestaltung der Friedhöfe. Im 19. Jahrhundert ging die Verwaltung der Friedhöfe in den größeren Städten vielfach von kirchlicher in städtische Hand über. In den Dörfern, auch den in Städte eingemeindeten, sind die Friedhöfe bis heute meist kirchlich verwaltet.
Mit der Stadtentwicklung und der steigenden Bevölkerungszahl erreichte der Alte Blankenburger Stadtfriedhof am Lühner Tor seine Kapazitätsgrenze. So wurde ab 1885 der Waldfriedhof auf einem schmalen Hanggrundstück landschaftsbetonend angelegt und ab 1886 belegt.
Seine Bedeutung als Kulturdenkmal leitet sich nicht nur aus der Konzeption der Anlage als Waldfriedhof oder seiner aus der Gründungsphase stammenden Ausstattung einer Toranlage mit bemerkenswerten Gittern, dem schlichten Wärterhaus oder der 1928 errichtete Marthakapelle her.
Vielmehr entstanden noch vor 1900 eine Reihe aufwendiger GRABMALE an der südlichen Begrenzungsmauer, u. a. für den Baumeister Otto Beck. Damit wurde der Bezugspunkt einer individuellen Trauer verlassen und die Bedeutung des Verstorbenen oder einer ganzen Familie über den Tod hinaus bewusst ins Bewusstsein der Lebenden gerückt. Aus welchen Gründen und mit welcher Motivation dies auch geschah, damit begann die Aufwertung des Waldfriedhofes zum kollektiven Gedächtnisort der Stadt.
Neben weiteren bedeutenden Grabstätten, die später angelegt wurden, gehören in die Reihe von kollektiven Gedächtnisorten die Kriegsgräberanlagen für die Opfer der beiden Weltkriege und die Sammelgrabanlage für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter.
Heute sind es das landschaftsbetonende Erscheinungsbild, die bauzeitlich überlieferte historische Substanz und die Funktion als kollektiver Gedächtnisort, die das Kulturdenkmal Blankenburger Waldfriedhof wesentlich charakterisieren.
Es ist bemerkenswert, dass sowohl Schülerinnen und Schüler als auch interessierte Bürgerinnen und Bürger mit dem Projekt „Blankenburger Waldfriedhof – Kulturdenkmal und regionaler Spiegel deutscher Geschichte“ den kulturhistorischen Aspekt des Denkmals aufgreifen und seine Bedeutung als kollektiven Gedächtnisort fortschreiben.
Dabei geht es um mehr als die Erinnerung an ein individuelles Leben. Der jeweilige Bezug zur gesellschaftlichen Situation, in der die betreffende Persönlichkeit gelebt hat, regt an, sich mit der deutschen Geschichte in all ihren Fassetten zu beschäftigen.
All das ist geeignet, dass der Waldfriedhof nicht nur ein wichtiges Kulturzeugnis ist, sondern Bezugspunkt für die gegenwärtige und zukünftige öffentliche Meinungsbildung wird.
Heike Tenzer – Referentin Gartendenkmalpflege