Geschichtsprojekt Blankenburger Waldfriedhof XXII

August Winnig
Schriftsteller, Gewerkschafter, Politiker
(1878 – 1956)

August Winnig war ein Schriftsteller, der Blankenburg ein literarisches Denkmal setzte. Seine politischen Positionen und Aktivitäten sind ein Zickzack-Kurs zwischen den gesellschaftlichen Strömungen seiner Zeit.

Lesezeit: 5 Minuten

August Winnig wuchs mit 11 Geschwistern in einem Haus am Blankenburger Markt 10 auf. Sein Vater war der Totengräber und Glöckner der Bartholomäuskirche, Johann Gottfried August Winnig. Seine Mutter trug den Namen Johanna Christiane Dorothee Marie Winnig, geborene Goeze aus Stapelberg. Mit 14 Jahren begann der junge Winnig eine Maurerlehre, die er 1895 abschloss.

Ab dem Sommer 1896 engagierte er sich sozialpolitisch. Winnig schrieb für die sozialdemokratische Parteipresse, organisierte in Blankenburg einen Ortsverband der Maurergesellen und beteiligte sich an Streiks. Wegen einer Auseinandersetzung mit Streikbrechern wurde er inhaftiert. Zeitgleich wirkte damals in Blankenburg auch der Tischlergeselle Wilhelm Pieck, später der erste Präsident der DDR. Pieck und Winnig galten als die ersten wichtigen Gewerkschafter in Blankenburg und berichten später von ihrer Blankenburger Zeit, ohne Bezug auf den jeweils anderen zu nehmen. Pieck schloss sich später den Kommunisten an und ging nach Moskau, Winnig engagierte sich weiter gewerkschaftlich und in der Sozialdemokratie.

1904 war August Winnig Mitarbeiter, später Chefredakteur der Gewerkschaftszeitschrift „Grundstein“ geworden. 1913 wirkte er in Hamburg, wo Winnig für die SPD in die Bürgerschaft gewählt wurde. Als Funktionär des Deutschen Bauarbeiterverbandes (DBV) organisierte er 1910 einen großen Streik mit und wurde 1912 der Vorsitzende des lokalen Ablegers dieser Gewerkschaft. Während des Ersten Weltkrieges gehörte Winnig zu jener Gruppe von Leuten, die zunehmend der Idee eines nationalen Sozialismus und einer Volksgemeinschaft anhingen.

Ab Oktober 1918 war August Winnig Reichsgesandter und nach dem Ausbruch der Revolution in Deutschland Generalbevollmächtigter für die besetzten baltischen Länder. Winnig unterzeichnete die Anerkennungen der Republiken Estland und Lettland. Er wollte aber auch die Räumung des Baltikums verzögern, um ein „Deutschtum im Osten“ zu erhalten, was seine Popularität in der SPD schmälerte.

Dennoch wurde er für die SPD in das erste Parlament Deutschlands, die Weimarer Nationalversammlung gewählt. August Winnig unterstützte Friedrich Eberts Kandidatur als Reichspräsident gegen Philipp Scheidemann und wurde unter der neuen Regierung Oberpräsident von Ostpreußen. In dieser Eigenschaft bekämpfte Winnig die Revolutionäre und organisierte Freikorps. 1920 unterstützte er Wolfgang Kapp bei dessen Putsch gegen die SPD geführte Reichsregierung. Nach dessen Scheitern wurde Winnig seines Amtes als Oberpräsident enthoben und aus der SPD sowie aus der Gewerkschaft ausgeschlossen.

Ab 1922 begann Winnig an der Universität Berlin Geschichte, Nationalökonomie und Geographie zu studieren. In dieser Zeit begann er, hauptsächlich mit autobiographischen Werken als Schriftsteller bekannt zu werden. An ihm wurde das Talent gelobt, komplizierte politisch-historische Zusammenhänge auch für Laien verständlich darlegen zu können. Sich selbst sah August Winnig als Volkserzieher und Lehrmeister, der seine Erkenntnisse in Büchern, Schriften, Reden – mitunter sogar von der Kirchenkanzel – an das Publikum weitergab.

1925 erscheint sein erstes großes Werk, „Frührot“ über seine Jugend im „schönen Blankenburg“. Winnig trat in der Folge dem Lippoldberger Dichterkreis bei, einer Vereinigung von Befürwortern rechtsextremistischer Kultur und Kulturpolitik, er war ebenfalls im Schützen- und Wanderbund von Rheinland-Westfalen aktiv. 1927 wurde er Mitglied der Alten Sozialdemokratischen Partei (ASPD), einem rechten Ableger der SPD. 1930 trat Winnig der Volkskonservativen Vereinigung bei, dem konservativ-republikanischen Flügel der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP). Winnig näherte sich nationalsozialistischen Positionen an, stimmte anfangs mit den vorgeblichen Zielen der Nazis überein und entwickelte auch Züge des Antisemitismus. Zum Beitritt in die NSDAP konnte er trotz Versuchen nicht bewegt werden.

In der Nazizeit wandelte er sich von einem „national denkenden Sozialisten“ hin zu christlich-konservativen Werten. Besonders nach dem sogenannten Röhm-Putsch, bei dem sich Hitler 1934 missliebig gewordener alter Gefolgsleute entledigte, rückte Winnig nach eigenem Bekunden vom Nationalsozialismus ab. Das brachte ihn bis in die Nähe von Beteiligten am Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944. Leute aus dem Kreis um Claus Schenk Graf von Stauffenberg waren oft zu Gast in Winnigs Haus in Potsdam, wo er von 1933 bis 1945 lebte. Von Verfolgungen nach dem gescheiterten Attentat blieb August Winnig allerdings verschont. Er war vorsichtshalber in einem Dorf untergetaucht, konnte aber kurz darauf frei nach Potsdam zurückkehren.

Anfang 1945 sah man August Winnig dann wieder in Blankenburg, dessen Zentrum in den letzten Kriegstagen zerstört worden war. „Aus der träumenden Stadt meiner Kindheit war eine gewaltige Karawanserei geworden“, schrieb er auf. Zahlreiche Kontakte hatte er schon zuvor als preußischer Oberpräsident a. D. zur kaiserlichen Familie unterhalten und war auch gern gesehener Gast der herzoglich-welfischen Familie auf Schloss Blankenburg. Wie aus Erinnerungen von Prinz Welf Heinrich von Braunschweig-Lüneburg hervorgeht, hat Winnig Blankenburg vor dem Einrücken der Sowjetarmee am 23. Juli 1945 gemeinsam mit der herzoglichen Familie verlassen.

In Niedersachsen gehörte August Winnig noch 1945 zu den Gründern der CDU. Von seinen Tantiemen und Einkünften aus seiner literarischen Tätigkeit konnte er gut leben. Von der Theologischen Universität Göttingen wurde er 1953 zum Ehrendoktor ernannt. 1955 erhielt er das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Seine letzten Jahre verlebte August Winnig in Wöltingerode (Landkreis Goslar).

Er starb am 3. November 1956 im Alter von 78 Jahren während einer Kur in Bad Nauheim und wurde in Goslar beerdigt. Auf Initiative von Wolfgang Münnich, selbst Blankenburger, wurde er 1996 auf den Waldfriedhof seiner Geburtsstadt umgebettet.

Heutige Spuren

Grabstätte auf dem Waldfriedhof

Straßenbezeichnung in Blankenburg

Das Projekt

Der Blankenburger Waldfriedhof ist mit seinen Grabstätten ein Kulturdenkmal und regionaler Spiegel deutscher Geschichte, die in ihrer Zeit von hier lebenden Menschen getragen und in vielen Fällen aktiv mitgestaltet wurde.

Die Epochen und Ereignisse ließen sich oft an mehreren Personen abbilden. Bei deren  Auswahl handelt es sich um eine notwendige Einschränkung. Die Inhalte sind von Schülerinnen und Schülern und geschichtlich interessierten Bürgerinnen und Bürgern zusammengetragen worden und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie folgen den Grundsätzen, geschichtliches Interesse zu wecken und die jeweiligen Lebenswege, Prozesse und Entwicklungen aus dem Blickwinkel der freiheitlich demokratischen Grundordnung darzustellen.

Das Projekt ist in Kooperation mit dem Land Sachsen-Anhalt, der Stadt Blankenburg und dem VHS-Bildungswerk entstanden. Regionale Bezüge und Hinweise auf weiterführende Quellen sollen motivieren, sich Geschichte der engeren Heimat, aber auch deutsche und europäische Geschichte zu erschließen.

Für weiterführende Hinweise und etwaige Korrekturen ist das Team Friedhofsprojekt offen. Das Stadtarchiv steht als Ansprechpartner zur Verfügung.

Quellen

Spuren des Löwen / Geschichte und Tradition in Braunschweig und Blankenburg, Autor: Bernhard Kiekenap, Appelhans Verlag BS, 2002.

Blankenburg Harz, Erinnerungen an die Heimatstadt, Fritz Hoefer, Hamburg 1987.

Blankenburger Wochenblatt, Ausgabe 2/ 1990, Seite 4/5.

Archiv Hans-Jürgen Bösche

August Winnig: „Frührot – ein Buch von Heimat und Jugend“ (1924)

Lebensbilanz August Winnig für die Jahre 1925 bis 1945: „Aus zwanzig Jahren“ (1948).

Bilder

Porträtfoto August Winnig am Schreibtisch, 1920, Wikipedia/ gemeinfrei

Anerkennungs-Urkunde Lettlands von 1918 mit der Unterschrift Winnigs, Wikipedia/ gemeinfrei

Bild vom Grab in Blankenburg, Foto: Burkhard Falkner

Bild vom Geburtshaus, Blankenburg Markt 10, Wohnung mit den drei mittleren Fenstern in der 2. Reihe von oben, zwei davon sind heute zugemauert,  Foto: B. Falkner

Impressum

Arbeitsgemeinschaft Geschichte des Gymnasiums „Am Thie“ Blankenburg (Harz) und Team Friedhofsprojekt

Bearbeitung: Burkhard Falkner (Team Friedhofsprojekt)  

Projektleitung: Benedict Volkert

Internetpräsentation: Jörn Zuber

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